Montag, 5. Dezember 2016

Hofburg, zweiter Versuch


Dass gestern bei der österreichischen Präsidenten(stich)wahl der von der FPÖ aufgestellte Norbert Hofer nicht gewonnen hat, ist eine gute Nachricht, das lasse ich mir um keinen Preis wegdiskutieren. Wäre es nämlich anders ausgegangen, dann hätte diese Wahl, einem verbreiteten Bonmot zum Trotze, sehr wohl so einiges verändern können. Keine Frage, nicht nur im südöstlichen Nachbarland muss Leben in die muffige Bude des einseitig neoliberal verfilzten Politbetriebs, doch gibt es andere, muss es andere Wege geben, den etablierten Parteien Feuer zu machen, als einem Rechtsaußen mit Faible für Austrofaschismus in eine Position zu hieven, in der er zwar nicht viele Befugnisse hat, aber im Gegensatz zum deutschen Bundespräsidenten doch welche, mit denen er so einiges anrichten kann.

So erfreulich das gestrige Ergebnis ist, hat der Souverän sich aber nicht wirklich eindeutig geäußert. 51,3 Prozent für van der Bellen sind so wenig ein Erdrutschsieg wie man die 48,3 Prozent für Hofer eine krachende Niederlage nennen kann, mag Robert Misik das auch anders sehen. Es scheint fast, als habe das Volk den üblichen Verdächtigen noch einmal eine allerletzte Chance gegeben. Letztere tun gut daran, sie nicht zu verscherzen. Meine weiteren 4 Cents:


1. Van der Bellens Taktik ist aufgegangen.

Wegen seiner freundlich-verbindlichen Art ist Alexander van der Bellen in Puncto Gewieftsein leicht zu unterschätzen. Ihm ist es aber gelungen, Hofer mit fortlaufenden Anspielungen auf dessen NLP-Kenntnisse als Manipulator und Trickser hinzustellen, der es nötig hat, mit Psychotricks zu arbeiten, statt einen 'seriösen' Wahlkampf zu führen. Ferner sind ihm dieses Mal keine peinlichen Ausraster unterlaufen und auch andere Provokationen wie die wiederholten niederträchtigen Angriffe aus dem Umfeld der FPÖ, von wo ihm eine Krebserkrankung, eine Nazi-Vergangenheit der Eltern und anderes angedichtet wurden, hat er souverän ignoriert. Zunehmend wirkte Hofer hilflos und verlor an Boden. Vielleicht kann van der Bellens zweiter Wahlkampf in Zukunft sogar als Beispiel dienen, wie man mit solchen Gegnern umgeht. Man sollte das studieren.


2. Durch die Folgen des 'Brexit' haben Rechtspopulisten ein wenig an Nimbus eingebüßt.

Dass zwei der Protagonisten der 'Brexit'-Kampagne, nämlich Boris Johnson und Nigel Farage, sich unmittelbar nach dem Votum sofort mal verpisst haben, nachdem sie zentrale Versprechen wieder kassiert hatten (Farage) bzw. eine mehr als unglückliche Figur abgeben (Johnson), hat vielleicht einigen Wählern vor Augen geführt, was von Leuten zu halten ist, die unglaublich süffige Versprechen machen und was für Probleme es bringen kann, wenn man eigentlich nur den Regierenden einen Denkzettel verpassen wollte, dabei aber - hoppla! - aus Versehen für eine historische Zäsur sorgt.


3. Die Stadtbevölkerung konnte mobilisiert werden.

Beim ersten Versuch, einen Bundespräsidenten zu wählen, spielte die  spezielle Bevölkerungsstruktur Österreichs eine gewichtige Rolle. Die Landkarte war fast vollständig blau (FPÖ) und nur in und um Wien grün. Würde nicht ein Viertel der österreichischen Bevölkerung im Großraum Wien leben, dann wäre Hofer im Mai wohl Präsident geworden. Jetzt zeigt sich ein etwas anderes Bild. Wenn auch das (in Österreich freilich nicht immer) platte Land nach wie vor Hofer-Territorium ist, haben dieses Mal fast alle größeren Städte klar für van der Bellen gestimmt. Das mag darauf hindeuten, dass bei der Wahl im Mai viele Stadtbewohner der Wahl noch ferngeblieben sind, die dieses mal mobilisiert werden konnten.


4. Insgesamt scheint die rechtspopulistische Welle momentan ein wenig abzuebben.

Auch außerhalb Österreichs scheint trotz dem Wahlsieg Donald Trumps der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen ein wenig zu stagnieren. Einen großen Teil ihres Momentums beziehen diese Kräfte aus Ressentiments und Ängsten der Globalisierungsverlierer/Abgehängten/alten weißen Männer, an die sie andocken und die sie geschickt zu bedienen verstehen. So wurde jede Meldung darüber, wie junge Migranten sich irgendwo danebenbenahmen, zur existenziellen Bedrohung des Abendlandes aufgebauscht. Man erinnere sich, dass in Deutschland die AfD im Sommer 2015 bereits auf dem absteigenden Ast befand, bevor dann die Flüchtlingskrise und die Silvesternacht von Köln kamen.

Inzwischen hat vieles sich normalisiert, man gewöhnt sich vielerorts aneinander, stellt fest, dass das Alltagsleben keineswegs so beeinträchtigt ist wie geunkt wird und sieht die Welt eben nicht mehr in allernächster Zeit untergehen. Menschen pflegen sich mit Umständen zu arrangieren, so ist auch einer Bewegung wie Pegida die Luft vorerst weitgehend ausgegangen, weil man nicht jahrelang immer nur wütend sein kann.

Ein Indiz dafür mag der Umgang mit dem tragischen Tod der jungen Medizinstudentin in Freiburg sein, der einem jungen Afghanen zur Last gelegt wird. Natürlich jaulten die üblichen Justemilieus auf, kübelten ihre Hass und ihre ekelhaften Gewaltphantasien ins Netz (beim Berliner 'Tagesspiegel' mussten 40 Prozent der Kommentare gelöscht werden). Es wurde einmal mehr die Platte von der Lügenpresse aufgelegt, weil angeblich nicht sofort vollumfänglich berichtet wurde, aber der ganz große Aufriss ist ausgeblieben, obwohl dieses Mal wirklich ein Mensch zu Tode gekommen ist. Möglicherweise beginnen auch immer mehr Menschen zu begreifen, dass Nachrichten nicht automatisch wahrer werden, wenn sie von 'alternativen' Medien verbreitet werden. Wäre das so, dann hätte auch das sein Gutes.

Dennoch ist jeglicher Überschwang unangebracht. Es ist kein Erdrutsch. Alexander van der Bellen ist nicht der strahlende Sieger, sondern hat lediglich Norbert Hofer verhindert. Er ist klug genug, dass ihm das bewusst sein dürfte. Nicht zuletzt deshalb ist meine Laune eine Spur besser als gestern vor den ersten Hochrechnungen.


4 Kommentare :

  1. Der alte weiße Mann ist in der Regel verheiratet mit einer alten weißen Frau, die, im Gegensatz zu ihm, aber auch sowas von total liberal ist, und mit der Pistole gezwungen werden mußte, ihn zu heiraten und bei ihm zu bleiben.

    Nebenbei: 60 % der formell gut gebildeten weißen Frauen haben einen Mann gewählt, Trump heißt der, glaube ich, kann es jetzt aber nicht beschwören.

    Linke Vorurteile helfen nicht gegen rechte Vorurteile.

    Abebben tut hier gar nichts, was sich aber zeigt, ist eine schemenhafte Gegenbewegung, die sich auch bei deutschen Wahlen seit längerem andeutet - ein unausgesprochenes Bündnis, das von Linksradikalen bis hin zu Wertkonservativen und sogar Patrioten reicht, das endlich konstruktive Fortschritte sehen will und sich nicht so genau an Parteien festmachen läßt.

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  2. Na klar, hast Du recht mit deinen Artikel in dem Du meinst " Es ist gut das Hofer nicht gewonnen hat". Und ich stimme Dir da auch zu. Nur es gibt da das Problem das er 48% der Stimmen gewonnen hat. Und das macht mir SORGEN, es bedeutet das sich fast die hälfte der Wähler, gegen Europa und dessen Politik entschieden hat. So gesehen ist es eine Niederlage der europäischen und auch der Berliner Politik. Ich wünschte ich könnte es anders resümieren.

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  3. Nein, da muss ich widersprechen – es war tatsächlich ein Erdrutsch, und der Souverän hat sich eindeutig geäußert: ursprünglich im 1. Wahlgang erhielt der rechtspopulistische Kandidat ja lediglich ein Drittel der Wählerstimmen, die beiden anderen Drittel fielen an bürgerliche und grüne Kandidaten. Erst in der Stichwahl, als nur mehr der Rechtspopulist oder der Grüne zur Auswahl standen, fiel das Endergebnis (überdies bei höherer Wahlbeteiligung als in den vorangegangenen Wahlgängen) mit 54 gegen 46 Prozent eindeutig zugunsten des Grünen aus. Vorrangig war der Wählerentscheid also eine deutliche Ablehnung der etablierten bürgerlichen Parteien samt deren konservativer »Aussitzer«-Politik. Dass am Ende die Mehrheit für den Grünen stimmte, ist doch eigentlich eine Sensation: wo sonst im Rest der Welt hätte es denn schon mal bei einer überregionalen Wahl einen vergleichbaren Erdrutschsieg für die Grünen gegeben.

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    1. Öhhh, Winfried Kretschmann? Ok, was bei dem von Grün noch übrig ist, das ist die Frage. Aber Baden-Württemberg ist zwar ein Bundesland, hat aber mehr Einwohner als Österreich.

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