Freitag, 19. Mai 2017

Déjà-vu cinematographique


Im Kino gewesen. Kopfschmerzen gekriegt. Passiert mir in letzter Zeit immer öfter, sobald das Reizüberflutungsfeuerwerk der Trailer vorbei ist. Liegt das an mir? Grenzbedeppert waren diese Vorschauen von jeher, nur habe ich mit fortschreitendem Alter meist das Gefühl, von einem sehr schweren und sehr langen Güterzug überrollt worden zu sein, wenn diese Parade der audiovisuellen Überforderung überstanden ist. Fast könnte man auf die Idee kommen, die Macher wollen, getreu dem Motto, viel hülfe viel, möglichst viel Kawumm in wenig Zeit hineinquetschen. Aber ich kann mich selbstredend täuschen. Dann aber, sapperlot und o la la, was sah ich da? Luc Besson ('Das fünfte Element') hat sich der französischen Comicreihe 'Valerian' angenommen. Guck an, dachte ich, die gibt’s ja auch noch.

Eigentlich war ich als Heranwachsender 'Star Wars'-Fan. Kannte Filme und Bücher in- und auswendig, hatte Riesenposter an der Wand und kritzelte meine Schulhefte mit Motiven aus den Filmen voll. Dann stolperte ich eines Tages in der Jugendbücherei über 'Valerian und Veronique', wie der deutsche Übersetzer die 'Valerian'-Comics von Jean-Claude Mézières und Pierre Christin nannte.  Zwar fand ich Han Solo immer noch cool, doch bald schienen mir die Abenteuer der Franzosen deutlich erwachsener als das Getue des quasiinzestuösen Geschwisterpaars aus 'Star Wars'. Und sexyer auch. Es mag bloß blödes Stereotyp sein, aber es ist bislang nicht gelungen, meine Wahrnehmung, dass die Franzosen Frivoles einfach drauf haben, nachhaltig zu widerlegen. (Wobei 'frivol' mitnichten versaut bedeutet und schon gar nicht porno, sondern einen souveränen, spielerischen Umgang mit Erotik.)

Ferner mag eine Rolle gespielt haben, dass ich zu der Zeit ein wenig den kulturellen Antiamerikaner in mir entdeckte. So hielt ich geschmacksneutralen vakuumierten Aldi-Camembert (nur echt aus der Blechdose) mit einem Glas undefinierbaren Rotweines für echt französische Lebensart und kam mir schwer sophisticated vor, wenn ich französische Filme guckte. Und französisch/belgische Comics las. Ich kann auch nicht völlig ausschließen, als adolescent vielleicht ein kleines bisschen amoureux im Hinblick auf die im Deutschen Veronique heißende Laureline gewesen zu sein. Im Rahmen dessen, was mit Phantasie im Fall einer Comicfigur so möglich ist, versteht sich.

Das war kurz bevor ich dann Literatur ohne Bilder und andere Dinge entdeckte, die mir relevanter erschienen. Ich verlor das Interesse. Jetzt, beim Wiedersehen, finde ich es immer wieder erstaunlich, wie Wahrnehmungen sich ändern. Damals wäre mir zum Beispiel nie in den Sinn gekommen, zwischen 'Star Wars' und 'Valerian' irgendwelche ästhetischen Querverbindungen zu sehen. Etwa, wie eklatant offensichtlich George Lucas sich bei Mézières und Christin bedient hat.

(Die beiden haben das übrigens immer ziemlich locker genommen, wie Pierre Christin 2015 in einem Interview meinte. Cool und fast schon beschämend, verglichen mit der Klage- und Abmahnwut vornehmlich amerikanischer Entertainment-Multis, wenn die ihr so genanntes geistiges Eigentum bedroht sehen.)


Das nennt man wohl stilbildend. Ein Grund mehr, sich im Sommer Bessons Film anzutun. Notfalls mit prophylaktischer Kopfschmerztablette. À bientôt!



2 Kommentare :

  1. Erstaunlich - aber Lucas hat die Anfangsszene des ersten Star Wars-Films ebenfalls abgekupfert: aus einem Samurai-Film. Die Sache mit den Lichtschwertern hat er eigentlich auch den Japanern abgeschaut.

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    1. Nicht zu vergessen auch die Luftkämpfe aus diversen WW2-Filmen...

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