Samstag, 16. März 2013

Der Agenda zum Zehnten


Man kann nicht pauschal sagen, dass die Agenda 2010 kein Erfolg gewesen sei, denn ein paar Gewinner gibt es schon: Die deutsche Exportwirtschaft und die Branche der Leiharbeitsfirmen wären da als erste zu nennen. Auch bei den Sozialgerichten braucht sich so schnell niemand Sorgen zu machen, dass die Auftragslage einbricht. Insgesamt aber gibt es eine Menge Verlierer. Viele stehen seit 2003 schlechter da als vorher: Wer arbeitslos wird, ist seitdem nur noch zwölf Monate entfernt vom Abstieg in die Armut. Wer einmal drinsteckt, sieht sich von vielen Seiten marginalisiert und als parasitärer Faulenzer diffamiert. Zu den Verlierern gehören auch, vergessen wir das nicht, Mitarbeiter der Jobcenter. Oft mangelhaft geschult und selbst prekär beschäftigt, müssen sie ein kompliziertes, lückenhaftes Gesetzeswerk voller Grauzonen auf Menschen anwenden, von denen sich viele in einer Krisensituation befinden. Die Kollateralschäden sind manchmal tödlich.

Montag, 11. Februar 2013

Hölle alaaf!


Nein, ich kann wirklich nicht behaupten, es schlecht getroffen zu haben. Ich kann mich nicht beklagen. Es könnte schlimmer sein. Weil ich in einer Gegend Nordrhein-Westfalens siedele, die nicht zu den so genannten Karnevalshochburgen zählt, besteht eine reelle Chance, den heutigen Tag in Ruhe verbringen zu können. Ein paar Vorkehrungen sind freilich vonnöten. Erstens: Auf keinen Fall Fernseher oder Radiogerät einschalten, denn der WDR kennt keine Gnade. Zweitens: Wenn man an einer Ausfallstraße Richtung Innenstadt wohnt und keine Garage zur Verfügung steht, sollte das Auto außer Reichweite der närrischen Ströme geparkt werden. Leider scheinen nämlich immer wieder ganz besonders ulkige Zeitgenossen Sachbeschädigung für gelebtes Witzigsein zu halten, wenn sie parkende Autos sehen. Drittens: Türen und Fenster fest geschlossen halten. Hat man sich dann noch mit einem guten Buch ausgerüstet und mit ein paar Berlinern, der mit Abstand erträglichsten Begleiterscheinung der Saison, dann steht einem geruhsamen und vor allem friedlichen Rosenmontag eigentlich nichts mehr im Wege.

Mittwoch, 6. Februar 2013

El Candidate lassen bloggen


Bislang habe ich mich aus Diskussionen über SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück weitgehend heraus gehalten. Das hat unter anderem damit zu tun, dass ich immer noch keine sonderlich differenzierte Meinung zu dem Mann habe und mir das auch nicht zu einfach machen will. Als gegeben wird man voraussetzen müssen, dass eine von ihm geführte rot-grüne Koalition im Gegensatz zur momentan am Ruder befindlichen und sich im Regieren übenden keinen wirklichen Politikwechsel mit sich brächte, somit keine echte Alternative wäre, sondern gerade mal ein kleineres Übel. Der mit viel Wohlwollen ungeschickt zu nennende Beginn seiner Kampagne tat ein Übriges, dass von dem großen Hoffnungsträger ordentlich Lack abgeblättert ist.

Montag, 28. Januar 2013

Run for cover!


Irgendwann in den Siebzigern riss Otto Waalkes folgenden Witz: Ein Mann, trifft zufällig einen alten Bekannten wieder und man kommt ins Erzählen. Auf einmal sagt der Mann: "Übrigens, ich habe jetzt ein Stinktier als Haustier." "Igitt!", meint der Freund, "Wo hältst du das denn?" "Na, im Schlafzimmer natürlich.", entgegnet der Mann. "Und der Gestank?" - "Ach, daran wird das Tier sich schon gewöhnen." Was haben wir gelacht! Als ich letztes Jahr in irgendeiner Sendung sah, wie ein Mann tatsächlich Stinktiere in seiner Wohnung hielt, wurde mir schlagartig klar, dass ich langsam alt werde. Anderes Beispiel: Die Nonsens-Metal-Band JBO brachte vor knapp fünfzehn Jahren das Album 'Meister der Musik' heraus. Darauf befindet sich neben Eigenkompositionen und Coverversionen auch eine mehrteilige Werbeparodie auf einen Sampler, auf dem Schlager- und Dancefloor-Fuzzis Hardrock- und Metal-Klassiker zum Besten geben ("Blümchen singt Black Sabbath!", "Richard Clayderman spielt Metallica!", "Ernst Mosch und seine Egerländer spielen Venom!" usw.).

Montag, 21. Januar 2013

Wahlnachlese: Fast nur Verlierer


Schwarzer Kater

Die CDU hat neben den Grünen von allen Parteien sicher den solidesten Sockel an Stammwählern. Das liegt unter anderem daran, dass Geschlossenheit bei der Union von jeher eine größere Rolle spielt als anderswo und viele eingefleischte CDU-Anhänger fast jeden Kandidaten wählen würden, wenn es nur dafür gut ist, dass kein Sozialdemokrat an die Macht kommt. Um die dreißig Prozent sind da immer irgendwie drin, nur für absolute Mehrheiten reicht es nicht einmal mehr in Bayern. Die Wahl hat gezeigt, dass es nichts nützt, stärkste Fraktion zu sein, wenn der Juniorpartner FDP seinen Zerfallsprozess weiter fortsetzt. McAllisters Kalkül, die schwarzgelbe Koalition per Zweitstimmen, die aus seinem Lager der FDP zufließen, zu retten, ist knapp gescheitert. Und eine schwarz-grüne Option ist, allen Sondierungsversuchen zum Trotze, fürs Erste nicht in Sicht.
Die schlechte Nachricht: Fällt mir spontan nicht ein.
Die gute Nachricht: Der Muslime frühstückende Innenminister Schünemann ist seinen Job los.

Samstag, 19. Januar 2013

Man wird doch wohl noch sagen dürfen!


Wenn Rassismus sich als Gebildetsein tarnt

Georg Diez, dem man einen Hang zu verbaler Verblasenheit nicht immer absprechen kann, hat es dieses Mal - Ehre, wem Ehre gebührt - ziemlich gut getroffen. Als bekannt wurde, dass der Thienemann-Verlag aus Otfried Preußlers Kinderbuchklassiker Die kleine Hexe Wörter wie 'Neger' oder 'Negerlein' entfernen wird, pumpten sich Sprachpuristen mächtig auf. (Bei Thienemann folgte man übrigens dem Beispiel des Oetinger Verlags, der aus Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf Worte wie 'Neger' oder 'Negerkönig' entfernte.) Sofort wurde Politisch Korrekte Gesinnungsdiktatur diagnostiziert und von Zensur geschwafelt. Ulrich Greiner, der irgendwann einmal beim selbsternannten Dickdenkerblatt ZEIT schaffen durfte, verstieg sich gar allen Ernstes zu der Mahnung, man stehle Menschen, zu deren Lesebiografie diese Bücher nun einmal gehörten, ihre Erinnerung. Diez stellt die berechtigte Frage, woher eigentlich die Aggression derer käme, die dieses schmutzige Wort um jeden Preis verteidigen wollen.

Samstag, 8. Dezember 2012

Sofa-Ralle und Voodoo-Wolfi


Einst waren es die langhaarigen Gammler, über die Volkes Stimme sich empörte. Erstmalzumfriseur! Sollnerstmalwasarbeiten!, Sollendochnachdrübengehen!, oder auch: Abinslager! - So schnarrte es früher im Befehlston unter dicken Hornbrillen und grünen Fasanenfederhütchen hervor. Heute haben bekanntlich Sozialschmarotzer die Rolle des Sündenbocks eingenommen. Jetzt hat Deutschlands meistgelesene Tagespostille endlich wieder einen dreistesten Hartz-IV-Abzocker gefunden, der untätig in der sozialen Hängematte liegt und gegen den sich die Fraktionen "Ich bin was Besseres als der, weil ich mich wenigstens für sechs Euro die Stunde ausbeuten lasse" und "Warum ich so einen mit durchfüttern" so trefflich aufhetzen lassen. Nach Florida-Rolf und Arno Dübel hat man Sofa-Ralle aufgetrieben und prompt als propagandistisch nutzbaren Aufreger in Frau Maischbergers Talkbude verfrachtet.

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Bye, bye, Doc!


House: „Wenn ich es genieße, das Leben zu hassen, dann hasse ich es nicht, sondern genieße es.“
Was immer man über Arztserien sagen kann, 'Dr. House' war anders. Zwar hat es in Literatur, Film und Fernsehen immer wieder Ärzte gegeben, die heimlich zur Flasche griffen, familiäre Probleme hatten oder sich am Medikamentenschrank bedienten, doch so ein körperliches wie seelisches Wrack wie Gregory House (Hugh Laurie) war noch nie da. Selbst ein hinkender Schmerzensmann, von starken Medikamenten abhängig und am Rande des Alkoholismus entlang balancierend, scherte er sich meist nicht um die menschliche Seite seiner Fälle. Zu seinem Credo gehörte: Neben weißen Kitteln werden Patientengespräche allgemein überschätzt, weil jeder Mensch lügt. Ärzte sind da, um Krankheiten zu heilen und nicht Menschen. Und Händchenhalten hat noch niemanden je wieder gesund gemacht.

Mittwoch, 28. November 2012

Gewolltes Staatsversagen


Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen, so lautet eine alte Weisheit. Sascha Adameks und Kim Ottos Buch 'Schön reich – Steuern zahlen die anderen' fiel mir in der Stadtbibliothek meines Vertrauens in die Hände. Es ist eines dieser Bücher, die keine großen intellektuellen Mühen bereiten, die aber deswegen alles andere als entspannend sind. Man liest es in einem durch, mit von Seite zu Seite weiter steigender Wut, weil man eigentlich nicht glauben möchte, was man da liest. Klar, man hatte immer geahnt, dass irgendwas schief läuft mit den Steuern. Hin und wieder fliegt ja auch mal was auf, aber damit hatte man dann doch nicht gerechnet. Adamek und Otto zeigen anhand von Fallbeispielen, wie es um die Steuermoral im Lande tatsächlich bestellt ist. Wann immer man geneigt ist, schwach zu werden und der Deutschland-geht-es-gut-Propaganda doch auf den Leim zu gehen, empfiehlt es sich, dieses Buch zur Hand zu nehmen. Als lohnbesteuerter Arbeitnehmer hat man vor Kopfschütteln bald einen steifen Nacken.

Montag, 26. November 2012

Ein Nicht-Vorbild tritt ab


Deutschland, Anfang der Neunziger. Der Kater wegen der Wiedervereinigung hatte noch nicht richtig eingesetzt und im Fußball dünkte man sich auf Jahrzehnte unbesiegbar. Eines jedoch trübte für nicht wenige das Glück: Seit Jahrzehnten hatte das Autoland Deutschland keinen siegreichen Formel-1-Fahrer mehr hervorgebracht. 1992 trat ein junger Mann aus Kerpen namens Michael Schumacher an, das gründlich zu ändern. Am Ende war Schumacher von 1994 bis 2004 insgesamt sieben Mal Weltmeister geworden.: So drückend war zwischenzeitlich seine Dominanz, so häufig seine Start-Ziel-Siege, dass auch die wahrlich nicht auf den Mund gefallenen Plaudertaschen von RTL ihre liebe Mühe hatten, dem durch ihn sterbenslangweilig gewordenen sonntäglichen Gekarre wenigstens ein Minimum an Spannung anzuquatschen.